Der Whisky floss mit einem angenehmen Gluckern in das Glas. Sie nahm es und trat ans Fenster.

„Du könntest dich so glücklich schätzen, diese Aussicht auf die Stadt, den umliegenden Wald, ganz hinten irgendwo glitzert der See, … also tagsüber. Jetzt in der Nacht kannst du dir die Lichter der Stadt ansehen, wie sie an- und ausgehen, wie nur wenige Autos unterwegs sind, alles kommt zur Ruhe für wenige Stunden. So beruhigend und schön.“ Sie stand eine Weile in Gedanken versunken dort. Nichts bewegte sich um sie herum, als würde die Nacht den Atem anhalten. Sie drehte sich vom Fenster weg.

„Weißt du, du könntest dich noch viel glücklicher schätzen, wenn du verstehen würdest, wie gut du es hier hast. Das Leben hat dir so viel gegeben, alles in den Schoß gelegt, du kannst dir solch ein Haus leisten und musst dir um nichts Sorgen machen. Aber du willst immer mehr, immer noch viel mehr. Nichts ist genug. Du gehst deinen geldgierigen Weg immer weiter, egal, wer zu Schaden kommt.“ Sie wandte sich angewidert ab. Die Aussicht zauberte ihr wieder ein Lächeln ins Gesicht.

„Ich würde auch am liebsten gar nicht mehr arbeiten müssen. Würde mich zurückziehen in ein Häuschen, das nur mir gehört, mit einer schönen Aussicht, die mir niemand nehmen kann. Ich würde ganz normalen Hobbys nachgehen, für die ich in meinem bisherigen Leben nie Zeit hatte. Wie entspannend es sein muss, abends am Kamin zu sitzen, mit einem Glas Wein und einem guten Buch. Mit nichts als Ruhe und ungestörter Aufmerksamkeit. Traumhaft. Aber leider nur ein Traum.“

Sie trat an das teure Klavier und setzte sich. Sie drückte vorsichtig ein paar Tasten herunter.

„Ich könnte mir die Zeit nehmen, Klavier spielen zu lernen, das wollte ich früher schon immer machen. Ich könnte malen, einen Pulli stricken und einfach nur Serien oder Filme anschauen. Ich hätte einfach Zeit für alles.“ Der Blick kehrte verträumt an das große Fenster zurück. War es eigentlich noch ein Fenster oder schon eine gläserne Wand? Sie war sich nicht sicher.

„Nun gut, ich könnte dir so viel über mein Leben erzählen, aber wer will das schon hören? Niemand hat mich je nach meinem beruflichen Werdegang gefragt. Aber mich kennt auch kaum jemand, wen verwundert es also? Du hingegen wirst sicherlich immer nur gefragt, wie du das alles geschafft hast? Wie du zu deinem großen Reichtum gekommen bist? Aber mal ehrlich, wir beide wissen, was du getan hast. Wir wissen, wie du zu deinen großen Chancen gekommen bist, wie du den Fuß in die Tür bekommen und dann alle eingelullt hast. Dein Geheimnis ist gar nicht so geheim. Und bald werden es noch viel mehr Leuten wissen. Alle! Alle werden es wissen. Schade, dass du es nicht mehr erleben wirst.“

Damit setzte sie ihr leeres Whiskyglas auf dem Beistelltisch ab und nahm ihre Waffe von selbem. Dann trat sie mit einem großen Schritt über den leblosen Körper am Boden hinweg, um in die Dunkelheit zu verschwinden.


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